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Sieg über den falschen Stolz

EGO! Wie dieser kleine, doch mächtige Teil des Menschen diesen vollkommen verblenden kann! Wie eine zerstörende Droge! Wer Opfer seines Ego wird, verliert alles. Denn dieses ist wie ein wildes Tier, das rücksichtslos vernichtet, was sich ihm in den Weg stellt. Zerstörung der anderen wie seiner selbst, sind die Früchte eines Ego, das außer Kontrolle geraten ist.

Nahrung findet dieses mächtige Ego im Intellekt. So ist der Verstand wunderbar, aber auch gefährlich. Ist er doch richtig entwickelt und funktionell eingesetzt eine der wichtigsten Fähigkeiten des Menschen; falsch benützt hingegen, sammelt und bewertet er nur all die äußeren Informationen und läßt dabei die wesentliche, innere Wirklichkeit außer Acht. Und dabei meint er noch, allwissend zu sein, und sieht sich als den Herren der Welt.

Eine indische Weisheit besagt, es gebe acht Erscheinungsweisen geistiger Trunkenheit, die den Intellekt verblenden. Es sind dies Dünkel über: vornehme Geburt, Jugend, körperliche Schönheit, soziale Position, Gelehrsamkeit, Reichtum, Macht und Ruhm.

Eitler Stolz macht blind und gleicht der anmaßenden Überheblichkeit eines Betrunkenen, der sich für einen Übermenschen hält, tatsächlich aber restlos die Kontrolle über sich verloren hat. Zahlreiche Menschen leiden an der Krankheit des Stolzseins, zu deren Symptomen Eifersucht, Haß, Mißtrauen und Streitsucht gehören.

Einen vollen Wasserkrug auf dem Kopf zu balancieren, ist nicht schwierig, mit einem halb gefüllten Gefäß hingegen kommt man nicht allzu weit: es wird bald ins Wanken geraten und herunterfallen. So ist auch der Geist durch störende Einflüsse gefährdet, solange sein Wissen unvollkommen und einseitig ausgebildet ist.

Dies war bei einer Gruppe von Männern der Fall, die sich aus dem Berufsleben bereits zurückgezogen hatten: es waren dies ehemalige Bahnbeamte, Professoren, Offiziere und Sanskrit-Gelehrte. Jeder von ihnen besaß bestimmte Kenntnisse und Begabungen, auf die er sich so einiges einbildete. Zu ihrem Zeitvertreib reisten sie umher und liebten es, mit den Waffen ihres Intellekts aufzutrumpfen, indem sie andere gelehrte Männer und Swamis durch spitzfindige Fragestellungen bloßzustellen und zu blamieren beliebten.

Sie gelangten eines Tages zu Mahaprabhujis Ashram, als er gerade Satsang hielt.

Und einer von ihnen trat herausfordernd zu ihm hin und sprach:

"Wir haben vernommen, Du seist ein großer Gelehrter, und wir sind gekommen, um uns selbst zu überzeugen. Gib uns eine Probe Deines Wissens!"

Bevor Mahaprabhuji antworten konnte, fiel ein zweiter ein, der selbst Gedichte schrieb:

"Führe uns eines Deiner Gedichte vor, wir möchten dessen Kunstfertigkeit beurteilen."

Mahaprabhuji ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er begrüßte die Männer wie alle Besucher mit liebevollem Herzen und lud sie freundlich ein, sich zu setzen. Ihm, vor dem nichts verborgen liegt, waren ihre Gedanken ebenso bekannt wie ihre erworbenen Charakterzüge und früheren Erfahrungen. Er begann daher in einem Bhajan ihre schlechten Eigenschaften vor ihnen darzulegen: ihre negativen, hochmütigen und eifersüchtigen Gedanken, durch die sie sich selbst schadeten; und er wies sie zu besserem Handeln an.

 

Es ist schwierig, Mahaprabhujis Poesie in einer anderen Sprache als in Hindi wiederzugeben, und so soll hier nur versucht werden, den Bhajan sinngemäß zu übersetzen:

KAHA VED PATHI TRIPATHI KAHAVAE

Jene, die studieren und sich selbst Gelehrte nennen,
die sich selbst für Dichter halten,
sich wie heilige Männer kleiden,
die nur äußere Reinheit preisen
- welchen Nutzen haben sie davon,
wenn ihr Studium nicht dem Höchsten gilt
und ihr Geist noch unrein ist?
Wenn sie Gott nicht kennen,
was helfen ihnen Poesie und prächtiges Gewand?
Jene, die alle Gesetze studieren,
das Gesetz Gottes jedoch nicht kennen,
jene, die nur ihres Körpers gedenken,
der bald als Asche vom Winde verweht sein wird -
was haben sie davon?
Nur Gott kann dem Irrtum der Gedanken Einhalt gebieten -
ohne Ihn ist alles leerer Schein.
 

In den weiteren Strophen verweist der Bhajan schließlich auf das wahre Ziel: gut zu handeln, nicht nur äußerlich gut zu erscheinen.

Plötzlich schien den Männern alles, was sie in ihrem bisherigen Leben erreicht hatten, ohne Sinn zu sein. Traurigkeit erfaßte sie jetzt, wo sie erkannten, daß sie solcherart alt geworden waren und vielleicht nicht mehr viel Zeit für eine Veränderung hatten.

"Meister", riefen sie aus, "ist es bereits zu spät für uns? Wir ergeben uns Dir und bitten Dich demütig um Führung und Schutz. Gnädiger Gott, kannst Du uns verzeihen?"

Mahaprabhujis Herz war voll Liebe für alle Lebewesen, nie waren Ärger oder Zorn in ihm. Auch lehnte er niemals jemanden ab. Allen vergebend korrigierte und beseitigte er die schlechten Eigenschaften derer, die sich ihm anvertrauten. Voll Liebe blickte er daher auf die Männer und begann wieder zu singen:

SANTO SE KOI SIROMANI MANUSYA

Der Heilige ist die Krone der Menschentums!
Gita, Ramayan, Bibel und Koran -
sie alle preisen den Ruhm der Heiligen.
Ihre Worte gereichen der ganzen Menschheit zum Segen.
Der Heilige gibt selbstlos, alles schenkt er allen!
Nicht für sich selbst, nur für die anderen lebt er.
Er kommt in Liebe und Erbarmen,
die Welt von Sünden zu reinigen, als der Botschafter Gottes!
Gottes Gnade erfahren wir durch den Segen des Heiligen.
Dieser ist unübertroffen in Hingabe,
Liebe, Demut, Güte und Barmherzigkeit.

Dann sprach er:

"Mit dem Segen eines Heiligen ist es möglich, alles zu verwirklichen. Doch laßt euch nicht täuschen, liebe Brüder! Wie ihr wohl wißt, umgibt sich das Ego oft mit dem Scheine der Weisheit. Viele nennen sich heilig oder geben vor, weise zu sein. Sucht nur jenen Brunnen auf, wo euer Durst gelöscht wird. Wenn euer Herz wirklich sucht und ihr danach dürstet, findet sich der Meister. Meine Lieben, euer Gebet um Vergebung ist erhört. Niemals im Leben ist es zu spät für das Gute; ja jede Sekunde ist wertvoll."

Die Männer baten Gurudeva:

"Herr, bitte weihe uns ein und nimm uns als Deine Schüler auf."

Er antwortete:

"Ich will euch ein Mantra geben, das ihr täglich üben sollt. Bemüht euch, von jetzt an allen Menschen mindestens ebenso liebevoll und demütig zu begegnen, als ihr euch früher unfreundlich und hochmütig gabt. Denkt stets daran, daß ihr von jedem etwas lernen könnt; denn nur Gott, der Allmächtige, ist vollkommen."

Sie verließen ihn unter vielen Dankesbezeugungen und priesen Gott von ganzem Herzen. Wahrlich, für sie hatte sich erfüllt, was Tulsidas im heiligen Epos Ramayana schrieb: "Nur mit der Gnade Gottes ist es möglich, einem verwirklichten Meister zu begegnen."

 


 

Nächstes Kapitel: Treffen mit Mahatma Gandhi

Voriges Kapitel: Heilung eines Sängers von seiner Überheblichkeit

Übersicht: Die Göttliche Gnade von Sri Mahaprabhuji

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